Erste BAG-Entscheidung zum gesetzlichen Mindestlohn: Vorbehaltlose und unwiderrufliche Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter anrechenbar

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Das BAG hat heute – am Beispiel einer bei einer Klinik Service GmbH beschäftigten Mitarbeiterin einer Cafeteria - entschieden, dass vorbehaltlos und unwiderruflich geleistete Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Die Pressemitteilung überlassen wir Ihnen anliegend.

1. Sachverhalt
 
Das Arbeitsverhältnis der in Vollzeit beschäftigten Klägerin bestimmt sich nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag, der neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vorsieht. Im Dezember 2014 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung der Jahressonderzahlungen allmonatlich zu je 1/12.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns iHv. 8,50 Euro brutto/Stunde geleistet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin Nachtarbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen und im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben.
 
2. Entscheidungsgründe
 
Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin erfüllt sei, da auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zukomme. Der Arbeitgeber schulde den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Er erfülle den Anspruch durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Die Erfüllungswirkung fehle nur solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, wie dies z. B. bei Zuschlägen für Nachtarbeit gem. § 6 Abs. 5 ArbZG der Fall sei.

3. DEHOGA-Bewertung
 
•    Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter, die also der Vergütung tatsächlicher Arbeitsleistungen dienen, können auf den Mindestlohn angerechnet werden. Der DEHOGA hatte eine solche Klarstellung bereits im Gesetzgebungsverfahren gefordert und begrüßt demgemäß die Entscheidung des BAG, die in einem Teilbereich der vielen strittigen Fragen zum Mindestlohn etwas mehr Rechtsklarheit schafft.
 
•    Der DEHOGA hatte in seinen Mindestlohn-FAQ’s bereits von Beginn an die Rechtsauffassung vertreten, dass jedenfalls Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das monatlich unwiderruflich gezahlt wird, auf den Mindestlohn anrechenbar ist. Mit der jetzigen Entscheidung des BAG wird insofern Rechtssicherheit geschaffen und unterinstanzlichen Urteilen, die jegliche Anrechnung der Urlaubs- und Weihnachtsgeld ablehnen, der Boden entzogen, ebenso wie entsprechenden Kommentaren von Gewerkschafts- oder Medienseite, die eine solche Vertragsgestaltung als „Trickserei“ verunglimpfen.
 
•    Der Pressemitteilung ist leider nicht eindeutig zu entnehmen, ob die monatlich anteilige Auszahlung der Sonderzahlung zu je 1/12 zwingende Voraussetzung für die Anrechenbarkeit ist. Die beiden Vorinstanzen hatten darauf abgestellt, dass der Arbeitnehmer den anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich (Stichwort: Rückzahlungsklauseln beim Weihnachtsgeld nach Kündigung) ausbezahlt bekommt. Es bleibt daher abzuwarten, wie das BAG in den Entscheidungsgründen zu dieser Frage Stellung bezieht.
 
•    Ebenso muss im Detail noch bewertet werden, wie das BAG den Entgeltcharakter der Leistung begründet hat, insbesondere auch in Abgrenzung zu anderen Zwecken wie z.B. der Belohnung von Betriebstreue, auf die die Klägerin sich berufen hatte.
 
•    Die Pressemitteilung legt die Vermutung nahe, dass die Ausführungen des BAG zur Anrechenbarkeit sich nicht nur auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld beziehen sondern auf alle Entgeltzahlungen. Der DEHOGA hatte ebenfalls von Beginn an darauf verwiesen, dass alle Leistungen mit Entgeltcharakter anrechenbar sein müssen und es insbesondere nicht auf die sog. „funktionelle Gleichwertigkeit“ (vor allem relevant bei Sonn- und Feiertagszuschlägen) ankommt. Das BMAS und der Zoll vertreten hierzu jedoch bislang eine andere Rechtsauffassung, weshalb wir Unternehmen bisher empfehlen, alle Zuschläge (Sonn-, Feiertags, Nacht-, Mehrarbeitszuschläge) „on top“ zu zahlen. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidungsgründe des BAG die DEHOGA-Argumentation weiter stützen; wir würden dann entsprechend unsere Empfehlungen überarbeiten.
 
•    Weiter wird in den Ländern zu überlegen sein, ob und wenn ja wie tarifpolitisch auf die BAG-Entscheidung zu reagieren ist. Wir werden die Thematik auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundesausschusses für Arbeitsmarkt und Tarifpolitik setzen.
 
Wir werden Sie informieren, sobald die Entscheidungsgründe vorliegen.